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Ratssitzung in Maastricht: Hoes planlos und überfordert

Vor dem Staatsrat der Niederlande muss Maastricht begründen, warum es noch immer nötig sei 7 Coffeeshops an den Stadtrand umzusiedeln, nachdem der Wietpas ausländischen Touristen verbietet Cannabis zu kaufen. Vorgestern kam es dazu im Maastrichter Stadtrat zu einer Befragung von Onno Hoes durch den Fraktionsvorsitzenden der D66 im Stadtrat von Maastricht Bert Jongen.

Raad van State – Staatsrat der Niederlande (Bild unter CC-Lizenz)

Ich dachte die Pläne für die Umsiedlung von 7 Coffeeshops in Maastricht seien ein Relikt aus der Vor-Wietpas-Ära und damals gescheitert. Weit gefehlt – die Pläne gibt es noch immer. Vorgestern wurde Onno Hoes (VVD – Bürgermeister von Maastricht) bei den Haushaltsberatungen im Maastrichter Stadtrat dazu von Bert Jongen (D66) zwei Mal befragt und machte dabei keine gute Figur. Jongen forderte Hoes dazu auf, schnell das Gespräch mit den Coffeeshopbetreibern zu suchen um zu evaluieren, ob diese noch an einer Umsiedlung von sieben Shops an den Stadtrand mitwirken möchten. Hoes schwieg dazu.

Nach der Sitzung sagte Hoes: „Stimmt. Das soll nicht heißen, dass ich es nicht mache (also das Gespräch mit den Coffeeshopbetreibern suche). Wir schauen wie es läuft. Ich bin zurückhaltend, da es eine juristisch sensible Sache ist.“

Jan Hoen (CVP) fragte, ob Hoes auch den häufigen Drogenhandel an Schulen berücksichtigen könne. Hoes antwortete daraufhin nur, dass keine Listen mit Klagen darüber von Seiten der Schulen vorlägen. Vertreter von PVM und LPM sagten daraufhin, dass die Schulleitungen das Dealen an den Schulen bagatellisierten. Hoes möchte nun mit den Schulen reden.

Hoes reagiert offen planlos, ängstlich und überfordert. Er schweigt sich aus, und das als Bürgermeister und vor seinem eigenen Stadtrat. Das ist ein Armutszeugnis und wird von den niederländischen Kommentatoren zu dieser Meldung auch genau so wahrgenommen. Vom Kummer darüber, dass Maastricht keinen tatkräftigen „Bürgervater“ hat, bis zu üblen Beschimpfungen von Hoes als „asoziales Schwein“ reichen die Kommentare.

Das Problem an den Schulen – etwas das wir auf „Kein Wietpas!“ so noch nie thematisiert haben – im Gegenteil ging es ja immer nur um die 350m-Abstand-Regelung zwischen Coffeeshop und Schulen, ist noch ein Fakt, der neben der Zunahme des Straßenhandels und dem, immer offensichtlicher werdenden, Versagens des Wietpas als Mittel gegen die „Overlast“ hinzukommt. Es ist ja offensichtlich das die Jugendlichen nun, nachdem die Coffeeshop-Kultur in den südlichen Provinzen durch den Wietpas zerschlagen wurde, leichter an Cannabisprodukte (auch größere Mengen) herankommen. Gerade Jugendliche konnten wohl schwer beziehungsweise unmöglich den Kontakt zu den sogenannten „Kilo-Häusern“ herstellen (der Gastbeitrag zu den Insiderinformationen, zeigt die nötigen Hintergrundinfos dazu auf). Mit marrokanischen Straßendealern im selben Alter wie die Schüler ist das einfacher – noch eine schlimme Folge des Wietpas.

Eines scheint Hoes jedoch gut erkannt zu haben, und das ist der Grund warum er nun lieber schweigt: Die Folgen des Wietpas und die derzeitige Entwicklung sind juristisch hochsensibel. Ein Schelm, wer da an die Worte von Nol van Schaik nach dem Zwischenergebnis der Koalitionsverhandlungen zurückdenkt. Sollten Hoes die möglichen Konsequenzen nur zu bewusst sein? Ein Gespräch über den Umzug an den Stadtrand mit den Coffeeshopbetreibern zum jetzigen Zeitpunkt kann er sich wohl ersparen – deren Antwort dürfte klar sein, wenn es in Südlimburg keine Veränderungen am Wietpas gibt.

Ich mach‘ mir die Welt widdewidde wie sie mir gefällt.

Nachdem Herr Teeven die unaufhaltsame, landesweite Einführung des Wietpas beschworen hat, gibt es bereits erste Reaktionen aus der Politik. Viele Leser hatten sich ja gefragt was die PvdA als Wietpas Gegner dazu sagen würde.

Dieser Artikel des Nachrichtenportals nu.nl zeigt nun wie man bei der PvdA dazu steht.

Die PvdA Abgeordnete Lea Bouwmeester  die einigen Lesern bereits bekannt sein könnte, ist der Meinung, dass zum Thema Wietpas momentan noch Nichts endgültig beschlossen ist.  Herr Teeven sollte ihrer Meinung nach auch im Hinblick auf die Koalitionsgespräche besser zu dem Thema schweigen, um diese nicht zu behindern.

„Es ist schön, dass Teeven nach allen möglichen Dingen ruft aber zum  Wietpas ist bei der Regierungsbildung noch nichts entschieden“ (freie Übersetzung)

Der Artikel befasst sich im Anschluss mit den Meldungen von acht limburgischen Bürgermeistern welche am Freitag wohl eine Einstellung des Wietpas forderten. Aus ihrer Sicht hat die Drogenkriminalität als direkte Folge der neuen Regeln zugenommen. Auch in Breda (Nordbrabant) und Utrecht (Utrecht) wurde das Thema kritisiert.

Teeven sieht den Wietpas dennoch weiterhin als Erfolg und will trotz aller Bedenken der Bürgermeister nichts ändern. Die negativen Folgen will er angehen. Allerdings gibt er damit im Prinzip zu, dass es Probleme durch den Wietpas gibt.

Wie eine Verschlechterung der Zustände und damit verbundene Verbesserungsversuche als Erfolg angesehen werden können, ist aus meiner Sicht reichlich fragwürdig. Das verstehen wohl nur echte Politiker.

Im Oktober soll der Erfolg des Wietpas offiziell evaluiert werden. Laut Teeven wird dies aber keinen Einfluss auf seine landesweite Einführung haben. Soll heißen, auch wenn der Wietpas als das Desaster erkannt wird welches er ist, will man ihn trotzdem landesweit durchsetzen. Jedenfalls wenn es nach Fred Teevens Kopf geht. Zum Glück weiß man, dass der Mann das nicht alleine zu entscheiden hat. Daher sollte man seine Aussagen auch nicht zu ernst nehmen.

Mit bürgerfreundlicher Politik hat diese Haltung jedenfalls nichts zu tun. Eher damit sein Gesicht zu wahren damit die Karriere nicht leidet und Ivo Opstelen (Minister für Sicherheit und Justiz) glücklich ist.

Meiner Meinung nach ein echt starkes Stück.

Man darf weiterhin gespannt sein was die PvdA hier erreichen wird und wie die Regierung letztendlich aussieht.

Koalitionsgespräche lassen Hoffnung aufkeimen

Ein wenig früher als ursprünglich fangen jetzt die ersten Verhandlungen zur Regierungsbildung an. Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass sie lang und zäh sein werden, denn die politischen Unterschiede zwischen der VVD (mit 41 Sitzen) und der PvdA (nach dem endgültigen Ergebnis nur noch 38 Sitze) seien zu groß um schnell in allen Themen zur Einigkeit zu gelangen.

Doch beide Parteien haben bereits hohe Bereitschaft signalisiert, dass sie miteinander koalieren wollen! Was uns hier aufhorchen lassen sollte: Der Spitzenkandidat der PvdA, Diederik Samson hat bereits klar gemacht, dass er zusätzlich noch die SP mit an Board haben wolle, somit wäre in dieser Konstellation die Wietpas-Gegner innerhalb der Regierungen der Überzahl (und wer weiss, wie viele VVDler mittlerweile auch dagegen sind..). Wie die VVD zu dieser Forderung steht konnte ich leider noch nicht herausfinden.

Jetzt steht auch fest, wer die Verhandlungen auf Seite der VVD führen sollen: Henk Kamp (geboren und aufgewachsen in der Grenznahen Stadt Hengelo) momentan Minister für Soziales und Arbeit. Über seine persönliche Einstellung zum Thema Drogenpolitik konnte ich leider nichts herausfinden, aber ich habe in seiner Biografie einen interessanten Punkt gefunden, der mir sofort ins Auge gestochen ist: In seiner Internatszeit war er in der selben Klasse  wie Jan Marijnissen. Und dieser ist – jetzt kommt es – Parteivorsitzender der SP!!!

Wollen wir doch mal hoffen, das sie sich in der Schule gut verstanden haben und sich daran erinnern. Manchmal tut ein wenig Vetternwirtschaft eben auch ganz gut!

Warum finde ich momentan niederländische Politik viel interessanter als die eigene???